Symbolbild: Beobachten und bewerten

„Du gehst ja oft essen.“
„Du arbeitest ganz schön viel in letzter Zeit.“
„Du lachst kaum noch.“

Zunächst wirken solche Sätze harmlos. Vielleicht sogar wie neutrale Beobachtungen. Und ja – rein sprachlich betrachtet könnten sie objektiv gemeint sein. Aber sobald wir solche Aussagen hören, passiert meist etwas ganz anderes in uns:

Wir hören eine Bewertung.
Oder wir fragen uns: Ist das jetzt positiv oder negativ gemeint?
Und: Will ich diese Einschätzung überhaupt hören?

Solche Reaktionen sind nicht ungewöhnlich. Sie zeigen, wie unterschiedlich Kommunikation wirken kann. Ein gutes Modell, um genau das zu verstehen, ist das 4-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun. Es beschreibt, dass jede Nachricht auf vier Ebenen gehört und gesendet werden kann:

  • Sachebene: Was wird sachlich mitgeteilt? (z. B. „Du gehst oft essen.“)
  • Selbstoffenbarung: Was sagt der oder die Sprechende über sich selbst?
  • Beziehungsebene: Was denke ich über dich, wie stehe ich zu dir?
  • Appell-Ebene: Was will ich von dir, was sollst du tun oder lassen?

Je nachdem, auf welchem „Ohr“ wir hören, verändert sich unsere Interpretation. Ein neutral gemeinter Satz kann auf dem Beziehungsohr als Kritik ankommen oder auf dem Appellohr als versteckte Aufforderung. Genau deshalb ist es so wichtig, sich bewusst zu machen, ob wir beobachten oder bewerten – und wie unsere Worte beim Gegenüber ankommen.

Beobachtung oder Bewertung?

Gestern erlebte ich selbst genau so eine Situation. Jemand sagte etwas, das auf den ersten Blick wie eine einfache Feststellung klang. Doch sofort war da dieses innere Nachfragen:

Was genau meinst du damit? Ist das ein Vorwurf, ein Kompliment oder einfach nur Small Talk?

In diesem Moment wurde mir wieder bewusst, wie schwierig es ist, Beobachtungen nicht automatisch zu bewerten. Unser Gehirn liebt es, schnell zu sein. Es möchte Energie sparen. Das funktioniert am besten, wenn es die Welt in einfache Kategorien einteilt: gut oder schlecht, richtig oder falsch, viel oder wenig.

Diese automatische Bewertung ist nicht „falsch“. Sie ist eine Schutzfunktion, eine Vereinfachung, die uns im Alltag hilft. Früher hatten wir keine Zeit, darüber nachzudenken, ob der Säbelzahntiger lächelt oder Hunger hat, wenn er seine Zähne zeigt.

Doch sie wird dann zum Problem, wenn wir sie nicht mehr hinterfragen.

Gesellschaftliche Prägung: Bewertung als Normalzustand

Wir leben in einer Welt, in der beinahe alles bewertet wird. Führungskräfte bewerten Mitarbeitende, Kunden bewerten Dienstleistungen, Schüler*innen werden benotet.

Und überall schwingt mit: Du bist besser oder schlechter – je nachdem, wie du dich einordnen lässt.

Aber auf welcher Basis passiert das?
Meistens auf Grundlage unserer eigenen Werte und Überzeugungen, geprägt durch unsere Erziehung, unsere Kultur oder unser Umfeld.

Was dabei oft untergeht: Es gibt mehr als eine Perspektive. Und jede Bewertung ist eben genau das: eine Sichtweise, keine objektive Wahrheit.

Die Einladung zur Perspektiv-Weite

Ich schreibe das hier, weil ich beobachte, wie schwer es vielen fällt, diese Unterscheidung bewusst zu machen:

Was ist reine Wahrnehmung, und was ist bereits Interpretation?

Diese Unterscheidung kann uns helfen, Konflikte zu vermeiden, Missverständnisse zu klären und wertschätzender miteinander zu sprechen. Und auch mit uns selbst. Denn auch im inneren Dialog werten wir häufig viel schneller, als uns guttut.

Mir selbst gelingt das auch nicht immer. Doch genau deshalb begleite ich andere Menschen so gerne dabei, ihre Sichtweisen zu erweitern. Nicht, um ihnen eine neue Bewertung überzustülpen, sondern um ihnen zu helfen, die Welt differenzierter zu sehen.


Beobachten. Nicht sofort urteilen. Den Raum zwischen Reiz und Reaktion größer werden lassen.

Das ist kein einfacher, aber ein lohnender Weg – in der Kommunikation, im Miteinander und in der persönlichen Entwicklung.

Kathrin Eger - Business-Coach

Hallo, ich bin Kathrin Eger.

Gründerin von EaGER to Change Business Coaching. Ich begleite mit vielen schönen Erfahrungen Führungskräfte, Unternehmer*innen und deren Mitarbeitende als Coach.

Seit 2012 betreue ich jährlich bis zu 120 Klienten im Executive Coaching und habe zu jedem Moment das Ergebnis für meinen Coachee und dessen Personal, sowie die Ziele der Organisation im Blick und verstehe in diesem Sinne auch die Bedeutung und die Entwicklung aller Gespräche.

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